Fortsetzung – Teil 3
Ob das Verhalten eines Menschen ursächlich eine Anpassungsstörung ist, muss durch eine sorgfältige Diagnose ermittelt werden. Dazu wird der Arzt, Psychologe oder Psychotherapeut das Störungsbild (Symptomatik) im Gespräch mit dem Betroffenen ermitteln:
- Was sind die Beschwerden? Wie äußert sich das Leiden?
- Wie häufig tritt es auf?
- Wie schwer ist es für ihn auf eine 10 Punkte-Skala?
- Gibt es typische Situationen in den die Beschwerden da sind?
- Ist das berufliche oder private Alltagsgeschehen dadurch eingeschränkt?
- Ist das Familienleben in Mitleidenschaft gezogen?
- Haben sich die sozialen Kontakte verändert?
- usw….
Daraufhin kann der Therapeut eine normale Reaktion auf ein belastendes Lebensereignis von einer behandlungsbedürftigen Anpassungsstörung abgrenzen. Er wird dabei in jedem Falle seinen anamnestischen Befund und seinen Gesamteindruck von der Persönlichkeit des Betroffenen fundamental einbeziehen.
Es gilt einzuschätzen, welche Ressourcen zur Bewältigung der Belastung vorhanden sind. Wie können sie aktiviert und gestärkt werden:
- Wie ist dieser Mensch früher mit negativen Ereignissen umgegangen?
- Kann er mögliche Bewältigungsstrategien in der jetzigen Situation anwenden?
- Drohen zukünftig neue gleichartige oder andere Stress-Situationen, die den voraus gegangen ähneln werden?
- In welchem Maße ist bei einer Therapie mit der Unterstützung der Familie zu rechnen?
- Sind Personen aus dem sonstigen sozialen Umfelds mit einzubeziehen?
- Wie hoch muss ein mögliches Suizidrisiko eingeschätzt werden, das bei Menschen mit Anpassungsstörungen allgemein als erhöht gilt?
Wichtiger Teil der Diagnose ist die Abgrenzung einer möglichen Anpassungsstörung von anderen psychischen Erkrankungen, – insbesondere von anderen Belastungsstörungen:
Eine Abgrenzung zu einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) oder zu einer akuten Belastungsstörung ist gut möglich, da beide ein spezifisches Beschwerdebild aufweisen. Ebenso werden mögliche körperliche und hirnorganische Erkrankungen zuvor fachärztlich und neurologisch abgeklärt.
Beispielsweise leiden Menschen mit einer Depression ganz allgemein unter Situationen und Ereignissen, sie können sich über nichts freuen. Patienten mit Anpassungsstörungen können ihr Problem hingegen in der Regel genau benennen. Auch wenn sie diesbezüglich sehr traurig sind, können sie sich über positive Dinge in anderen Lebensbereichen freuen und reagieren zeitweise emotional unauffällig.
Therapie / Behandlung
Für die Behandlung einer Anpassungsstörung kommen Psychoedukation, kognitive Verhaltenstherapie, klientenzentrierte Gesprächstherapie und psychoanalytische Verfahren zum Einsatz.
Das Therapiekonzept ist abhängig vom Schweregrad individuell anzupassen:
In psychotherapeutischen Sitzungen wird zunächst der emotionale Druck abgebaut. Es vorhandene Ressourcen ergründet, Strategien zur Problembewältigung (re)aktiviert oder neu erarbeitet. Dazu gehört auch das Erlernen einer Konflikt- und Streitgespräch-Kultur.
Ziel ist es auch, das Selbstwertgefühl des Betroffenen zu stärken und seine Motivation zur Handlungsfähigkeit wieder herzustellen.
In manchen Fällen kann, unter ärztlicher Kontrolle, die kurzzeitige Gabe eines Psychopharmakon Ängste und depressive Verstimmungen abbauen helfen.
Angehörige
Angehörige und Freunde sollten sich Zeit für Gespräche mit dem Betroffenen nehmen und seine Gefühle und Gedanken ernst nehmen. Sie sollten sich auch zurücknehmen mit Bewertungen oder Be-/Verurteilungen.
Wer bereit ist zu helfen, sollte eine neutrale unvoreingenommene Position einnehmen. Unverständnis und kontroverse Diskussionen sind nicht hilfreich, sondern schaffen neue Belastungen.
Wer sich durch das Verhalten eines anpassungsgestörten Menschen angegriffen fühlt, darf sich über seine Beteiligung an der Situation Gedanken machen, – aber bitte allein ‚‘‘im stillen Kämmerlein‘‘, – notfalls mithilfe eines Therapeuten.
Lesen Sie auch Teil 1 , Das ist doch nichts Krankhaftes – oder?
Lesen Sie ebenfalls Teil 2, Auslöser und Störungsbild.
In den kommenden Beiträgen, in 14-tägiger Folge, gehe ich auf die Aspekte depressive Reaktion und gestörtes Sozialverhalten ein.