Die dissoziative Identitätsstörung. Teil 2

Wer nicht lesen will kann hier zuhören.

Wie in Teil 1 schon ausgeführt, ist diese Störung gemäß WHO keine Persönlichkeitsstörung.

Unter einer Identifikationsstörung versteht man seelische Zustände, bei denen Teile des Erlebens aus dem Bewusstsein abgespalten sind. Die Identität der Person bleibt erhalten. Allerdings wechseln die Eigenschaften der Person.

Während der gesunde Mensch weiß, dass er je nach Situation und innerem Werturteil lieb oder böse, pflichtbewusst oder gleichgültig, prüde oder sinnenfroh sein kann, geht das Bewusstsein der Widersprüchlichkeit bei der dissoziativen Identitätsstörung verloren. Die multiple Persönlichkeit deutet sich nicht als ein Sowohl-als-auch. Sie kennt sich nur als Entweder-oder.

Gemäß der WHO werden dissoziative Störungen wie folgt klassifiziert:

Name Abgespaltene Modi
Dissoziative Amnesie Gedächtnisinhalte
Dissoziative Fugue Gedächtnisinhalte, Handlungsentscheidungen, Kenntnis der persönlichen Position im Lebenskontext
Dissoziativer Stupor Willkürbewegungen
Trance- und Besessenheitszustände gesamtes psychomotorisches Verhalten
Dissoziative Bewegungsstörungen Willkürbewegungen, Handlungsentscheidungen
Dissoziative Krampfanfälle Willkürbewegungen, Handlungsentscheidungen
Dissoziative Sensibilitätsstörungen Leibliche Empfindungen, Sinneswahrnehmungen
Multiple Persönlichkeitsstörung Teilaspekte der Persönlichkeit
Transitorische dissoziative Störungen in Kindheit und Jugend verschiedene
Im Rahmen von Reifungskrisen in Kindheit und Jugend kommt es gehäuft zu vorübergehenden psychischen Turbulenzen, die sich nicht zu fortdauernden Erkrankungen verfestigen.

 

Ursachen und Auslöser

Dissoziativen Störungen liegen oft unverarbeitete Traumata aus der Frühkindheit zugrunde. Ist dem so, gilt es, Gefühle nachzuerleben, de­ren Erleben bislang nicht zugelassen wurde. Das Kleinkind ist / war dem traumatisierenden Umfeld so ausgeliefert, dass es keine selbstheilende seelische Reaktion bewerkstelligen kann / konnte.

Zur Überwindung eines Traumas gehört, dass die Gefühle (die diese nach sich ziehen) zu Ende gefühlt sind. Je mehr ein Umfeld das Individuum missachtet und je abhängiger das Individuum von diesem Umfeld ist, desto eher wird sich eine seelische Erkrankung einstellen.

Zwillingsstudien belegen, dass es eine angeborene Neigung gibt, mit dissoziativen Symptomen auf seelische Belastungen und ungelöste Konflikte zu reagieren. Diese ge­netische Anlage geht oft Hand in Hand mit Charaktermustern, die einer histrionischen Persönlichkeitsstörung zugeordnet werden können. Dazu gehören:

  • Suggestibilität / Beeindruckbarkeit
  • eine lebhafte Phantasie
  • die Bereitschaft, sich bedenkenlos dem emotionalen Kontext einer Situation zu überlassen
  • die Neigung, durch ausdrucksstarkes Agieren Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen

Heilender Erlebniszyklus

Erlebnisse können zu schwerwiegenden Erschüt­terungen führen; vor allem, wenn das Erlebnis Wert und Lebensrecht des Betroffenen infrage stellt. Auf solche Erlebnisse reagiert die Psyche mit Gefühlen: Angst, Wut, Hass, Scham oder Schuldgefühlen. Aufgabe der Gefühle ist die Heilung des Traumas. Durchlebt der Traumati­sierte die Gefühle ungehindert, führt das zu einer seelischen Entwicklung deren Resultat ein gestärk­tes Selbstwertempfinden auf der Basis höherer Bewusstheit und gereifter persönlicher Autonomie ist. Wird der Erlebniszyklus abgebrochen, kommt es zu einer neurotischen Störung.

Neben einer dissoziativen Grundbereitschaft spielen als konkrete Auslöser emotionale Belastungen im Rahmen seelischer und zwischenmenschlicher Konflikte eine Rolle, vor allem wenn es der betroffenen Person nicht gelingt, im psychologischen Grundkonflikt einen tragfähigen Kompromiss zu finden.

Da dissoziative Störungen oft durch zwischen­menschliche Konflikte ausgelöst werden, wirken sie zuweilen demonstrativ, appellativ oder manipulativ. Es hat dann den Anschein, als solle die Symptombildung im Interesse des Kranken etwas bewirken, was dieser nicht offen anzustreben wagt.

Therapie

Nach Ausschluss körperlicher Ursachen kommt die entscheidende Rolle bei der Behandlung dissoziativer Symptome der Psychotherapie zu. Häufig befürchtet der Kranke, an einer bedrohlichen körperlichen Erkrankung zu leiden oder verrückt zu werden. Zunächst gilt es daher, ihn über die grundsätzliche Ungefährlichkeit der Störung zu informieren, Psychoedukation.

Bei der eigentlichen Therapie werden die Auslöser der konkreten Symptom­bildung ermittelt und die zugehörigen innerseelischen Konflikte analysiert. Tau­chen dabei unverarbeitete Traumatisierungen auf, zum Beispiel Gewalterfahrungen oder sexueller Missbrauch in der Kindheit, sind diese therapeutisch so lange zu bearbeiten, bis die abgespaltenen Scham- oder Schuldgefühle in ein bejahendes Selbstbild eingebunden sind.

Hier schließe ich den Themenkomplex dissoziative Identitätsstörungen. Lesen Sie auch Teil 1 und lassen Sie das Ganze einmal auf sich wirken.

In den vorausgegangenen Beiträgen können Sie sich zusätzlich über die Persönlichkeitsstörungen informieren.

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