Wenn der Körper nicht mehr mitmacht.
CFS äußert sich mit einer Vielzahl von Symptomen: Ständig abgeschlagen, Schlaf bringt keine Erholung. Schmerzen, Erschöpfung, Gedächtnisprobleme.
Das chronische Erschöpfungssyndrom kann Menschen zum Pflegefall machen. Ärzte sehen das Leiden oft als psychisches Problem – dabei mehren sich die Hinweise auf körperliche Ursachen.
„Montags bin ich auch immer müde“ – mit solchen Sätzen sehen sich Menschen, die am chronischen Erschöpfungssyndrom (CFS für „chronic fatigue syndrome“) leiden, regelmäßig konfrontiert. Die scheinbar verständnisvolle Bemerkung beruht auf Unwissenheit. Denn CFS ist mit vorübergehender Müdigkeit nicht vergleichbar.
Die Krankheit wird erst diagnostiziert, wenn jemand länger als ein halbes Jahr an einer anhaltenden, massiven Erschöpfung leidet, die nicht durch andere Erkrankungen zu erklären ist. Die Zähne zusammenbeißen und agieren hilft nicht – ganz im Gegenteil: Strengen sich Betroffene körperlich oder geistig an, verschlechtert sich ihr Zustand für mehrere Tage. Schätzungen zufolge sind in Deutschland rund 300.000 Menschen an CFS erkrankt.
Was löst CFS aus?
„Die genaue Ursache kennen wir noch nicht“, sagt Carmen Scheibenbogen, Leiterin der Ambulanz für Immundefekte der Charité in Berlin. Sie sieht CFS als eine Art Autoimmunerkrankung: Eine andauernde Reaktion der Körperabwehr gegen eigene Strukturen ruft demnach die Beschwerden hervor.
Eine kürzlich im Fachmagazin „Science Advances“ veröffentlichte Studie von Forschern der Columbia University in New York untermauert, dass es sich bei CFS um eine fehlgesteuerte Reaktion des Immunsystems auf eine Virusinfektion handelt. Statt nach erfolgreicher Abwehr wieder herunterzufahren, bleibt das Immunsystem dauerhaft aktiv.
Einfach nicht wieder gesund werden
CFS kann jeden treffen. Laut Scheibenbogen ist der typische CFS-Patient ein junger Mensch, der zuvor fit und gesund war. Nach einem Virusinfekt treten grippeähnliche Symptome, Kopf-, Muskel- und Gelenkschmerzen auf. Oft ist es das Pfeiffersche Drüsenfieber, aber nicht immer. Der Betroffene schläft schlecht, kann sich nur schwer konzentrieren. Und wird einfach nicht wieder gesund. Stattdessen verstärken sich die Symptome und neue Beschwerden wie eine bleierne Müdigkeit und ein starkes Erschöpfungsgefühl – geistig und körperlich – kommen hinzu. Stark betroffene Patienten müssen Studium oder Beruf aufgeben und werden zum Pflegefall.
Im schlimmsten Fall können die Betroffenen nur noch im Bett liegen, abgeschirmt vom Leben. „Wenn Sie mich sehen würden, dann würden Sie wahrscheinlich denken, dass ich am Sterben bin – und so ist es jeden einzelnen Tag“, ist einem Bericht auf der Seite der „Lost Voices Stiftung“ zu lesen. Geschrieben hat dies eine junge Frau, die bereits mit sechs Jahren an der schlimmsten Form von CFS erkrankte und mit knapp 30 Jahren daran starb.
Zur Definition von CFS werden häufig die Kriterien verwendet, die Keiji Fukuda von den amerikanischen Centers for Disease Control (CDC) Mitte der Neunzigerjahre festgelegt hat.
CFS bedeutet, dass Betroffene seit mindestens sechs Monaten unter einer andauernden, nicht durch andere Krankheiten erklärbaren Erschöpfung leiden.
Diese Erschöpfung verbessert sich nicht durch Ruhe und schränkt die Aktivitäten der Betroffenen deutlich ein.
Zudem müssen mindestens vier von acht Begleitsymptomen auftreten, zu denen Schlafstörungen, Kopf-, Muskel- oder Halsschmerzen, Konzentrationsstörungen sowie ein deutlich beeinträchtigtes Kurzzeitgedächtnis zählen.
Nach wie vor wird CFS von vielen Ärzten als psychische oder psychosomatische Erkrankung angesehen. Manche Patienten fühlen sich als Simulant abgestempelt. Das US-amerikanische Institute of Medicine benennt deshalb die Erkrankung in „systemic exertion intolerance disease“ um, was so viel wie „systemische Belastungsintoleranzerkrankung“ heißt. Alternativ wird auch von myalgischer Enzephalomyelitis (ME) gesprochen.
Die große Hoffnung aller CFS-Patienten ist, dass ein Medikament entwickelt wird, das ihre Krankheit eindämmt, so dass sie die Chance haben, wieder mehr am Leben teilzunehmen. Doch fließen kaum Gelder in die Forschung.
Lernen damit umzugehen
Bislang gibt es kein für CFS zugelassenes Mittel und keine standardisierten Therapien. „Die Behandlung verläuft meist nur symptomorientiert. Liegt ein Infekt oder Immundefekt vor, wird versucht, diesen gezielt zu behandeln und mögliche Mangelzustände auszugleichen. Es geht vor allem auch darum, die restlichen Kräfte möglichst gut einzuteilen und ausgiebige Ruhephasen einzuhalten, und zu lernen besser mit Stress umzugehen“, sagt Scheibenbogen. Die Medizinerin räumt ein, dass bestimmte Maßnahmen meist nur wenigen CFS-Patienten helfen. Und sie warnt: „Tritt eine Verschlimmerung der Erkrankung infolge einer Überforderung oder eines schweren Infekts auf, kann das zu einer lang anhaltenden Verschlechterung führen.“
Einen kleinen Lichtblick gibt es: Eine norwegische Studie mit dem Antikörper Rituximab zeigte bei 10 von 16 CFS-Patienten eine deutliche Besserung deren klinischen Zustandes. „Bei einem Teil der Patienten kam es nach Therapieende tatsächlich zu einem anhaltenden Rückgang der Erkrankung. Bei ein paar Probanden traten jedoch unerwartet schwere Nebenwirkungen auf“, berichtet Scheibenbogen.
Eine größere Untersuchung, die gerade an mehreren Zentren in Norwegen anläuft, kann mehr Klarheit bringen. 2017 soll diese Studie abgeschlossen sein.