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Psychisch schon krank oder noch gesund

Teil 1

Eine berechtigte Frage, die selbst Ärzte nicht immer eindeutig beantworten können. Auf dem Papier und gegenüber der Abrechnungsstelle, den Krankenkassen, sind sie allerdings gezwungen eine Diagnose-Kennung zu vergeben. Was das mit der tatsächlichen Patienten-Situation zu tun hat, sei dahin gestellt. Dem Betroffenen kann es eigentlich auch egal sein, was auf dem Abrechnungspapier steht, Hauptsache ihm wird mit der passenden Therapie geholfen.

Ob Depression, Angststörung, Sucht: Menschen mit psychischen Erkrankungen werden mit Ablehnung, Misstrauen und Vorurteilen konfrontiert. Dabei ist wichtig zu wissen, dass die Grenze zwischen gesund und krank viel durchlässiger ist als die meisten glauben. Ärzte, Psychiater, Psychotherapeuten sind sich dessen gewiss. Jedoch, es muss eine scharfe Trennlinie gezogen werden, wenn ein Behandlungs- und Therapieplan benannt werden soll.

Schubladen-Denken

Für Mediziner, die ihre Leistung über Krankenkassen abrechnen, ist die künstliche Grenzziehung, ob jemand gesund oder krank ist, zwingend notwendig.

Für Patienten kann es allerdings schon einen großen Unterschied machen, jetzt als krank oder nicht krank zu gelten. Jeder Mensch ist ein Individuum, mit einer nur ihm eigenen Lebensgeschichte und einer eigenen sozial-kulturellen Entwicklung. Dem ist Rechnung zu tragen, wenn aufgrund der Anamnese eine Diagnose gestellt wird und eine Behandlung festgelegt wird. Und außerdem, – dieses ganzheitliche Persönlichkeitsbild kann sich während der Therapie verändern: Ein Kreislauf aus Aktion und Reaktion.

Selbsterkenntnis

Viele Menschen machen in ihrem Leben die Erfahrungen, dass sie psychiatrische Symptome aufweisen. Zum Beispiel kann eine irrationale Angst auftreten. Daraus muss aber nicht zwangsläufig eine Angststörung mit Krankheitswert entstehen. Solche Zustände können vereinzelt auftreten und sind dann Teil des normalen Lebens.

Erst wenn die Auffälligkeiten sehr massiv werden, das Tagesgeschehen erheblich einschränken, die Lebenssituation anhaltend belasten, kann man die Symptome einer psychischen Krankheit zuschreiben.

Man darf psychiatrische Erkrankungen aber auch nicht verharmlosen. Respekt und Empathie vor der Größe und Schwere des Extremverhaltens eines Menschen sind immer angebracht. Es gilt, die Ansätze und den Verlauf einer Krankheit zu verstehen und nachvollziehen zu können.

Mehr als man vermutet

Es werden tatsächlich viel mehr Menschen psychisch krank, als allgemein angenommen wird. Das ergibt sich auch aus den diversen regelmäßigen Erhebungen der Krankenkassen (TK, BKK, AOK, Barmer etc.). Demnach erfüllen 25 bis 30 Prozent aller Menschen im Laufe ihres Lebens mindestens eine Zeit lang die Kriterien für eine psychische Erkrankung. Also jeder Dritte bis Vierte in Deutschland.

Stigmatisierung

Ein Hauptproblem ist die wahrgenommene Andersartigkeit. Menschen mit psychischen Krankheiten werden oft als unberechenbar, oder gar gefährlich eingeschätzt. Das verunsichert und macht Angst. Man weiß nicht so recht, wie man mit ihnen umgehen soll.

Sind wir nicht alle ein bisschen schizophren

Besonders betroffen sind Menschen mit Schizophrenie. Bei Schizophrenie ist es die extreme Andersartigkeit, die in den akuten Krankheitsphasen dramatisch auffällt und einen zurückschrecken lässt. Wobei sogar hier die psychiatrischen Symptome viel alltäglicher sind, als man glaubt.

Bestimmte Formen magischen und bizarren Denkens sind zum Beispiel ganz typisch für Schizophrenie – aber die sind auch bei gesunden Menschen weit verbreitet. Z. B. findet man  Verschwörungstheorien und Verfolgungsgedanken in abgeschwächter Form auch bei Gesunden. Natürlich treten solche Symptome bei einer akuten Schizophrenie viel extremer auf, aber gerade diese Phasen sind vorübergehend und lassen sich inzwischen sehr gut behandeln.

Halluzination

…ist eine Erfahrung, die auch seelisch gesunde Menschen machen: Beispielsweise im (Alkohol- / Drogen-) Rausch, bei schweren körperlichen Krankheiten, nach einer Narkose, aber auch als ganz alltägliches Phänomen. Es gibt seelisch vollkommen stabile Menschen, die ihr ganzes Leben lang Stimmen hören. Solange sie damit gut umgehen können und sie nicht als belastend empfinden oder lebensbestimmend sind, ist das kein Problem. Solche Menschen brauchen dann auch keine Hilfe.

Darüber reden ist sehr schwer

Kranke selbst, sowie ihre Verwandten und Bekannten haben ein wirklich großes Problem, offen über psychische Erkrankungen zu sprechen. Wer akut in einer psychischen Erkrankung steckt, dem machen die Symptome ohnehin schon sehr zu schaffen. Gleichzeitig müssen die Patienten sich auch noch Sorgen machen, ob man sie ablehnt und wie ihr persönliches soziales Umfeld reagiert.

(Fortgesetzung in der nächsten Newletter-Ausgabe)

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