Mit Stress ist es wie mit Ärger, genau genommen fügt man sich beides selber zu. Die Auslöser kommen meistens von Außen. Aber Sie selbst bestimmen, ob und wie weit es Sie belastet. Vergleicht man die Arbeitsbedingungen in der Industrie, egal ob es um eine Bürotätigkeit oder um eine körperliche Tätigkeit geht, in der Regel sind die Arbeitsplätze heute ergonomischer, weniger unfallträchtig, flexibler, sauberer und bieten mehr Freiheit für Individualität als je zuvor. Trotz allem stellen die Arbeitswissenschaftler einen Anstieg der Stressbelastungen des Einzelnen fest. Insofern darf sich jeder Betroffenen ernsthaft fragen, ob er mit der gewonnen Freiheit im Arbeits- und besonders im Privatbereich überhaupt gesund umgeht. Es ist auszuschließen, dass heutzutage nur die Arbeit krank macht.
Früher war alles besser. Wirklich? Erinnern Sie sich noch, wie damals Ihr Puls in die Höhe schoss, der Blutdruck ins Unermessliche stieg, sich Ihre Muskeln schlagartig zusammenkrampften, das Adrenalin und Kortisol in Sekundenbruchteilen durch Ihren Körper jagden – weil der Säbelzahntiger wie aus dem Nichts auftauchte. Das war Stress pur. Es ging ums Überleben, – Angriff oder Flucht. Genau wie heute, nur dass die Aggressoren, die Auslöser andere sind. Stress ist kein Phänomen der heutigen Zeit.
Bei hoher psychischer Belastung kann es durchaus sein, dass man weniger Nahrung zu sich nimmt. Jedenfalls ernährt man sich meistens unregelmäßig und unausgewogen. Zudem wird bei Stress das Hormon Kortisol ausgeschüttet. Zusammen mit der ungesunden Ernährung verändert sich schleichend der Stoffwechsel und es kommt zu vermehrter Fetteinlagerung, hauptsächlich um die Taille herum und im Bauchbereich. Stress macht also nicht schlank, nur weil man eventuell weniger isst.
Adrenalin und Kortisol bewirken, dass der Mensch reaktionsschnell und hellwach ist. Bei Gefahr und besonders bei Verletzungen haben wir zum einen dadurch viel bessere Überlebenschancen, und zum anderen weil der Kreislauf nicht wegsackt und die Blutgerinnung besser ist. Dieses, und die blitzschnelle aber unbewusste Entscheidung für Flucht oder Angriff sind uns seit Urzeiten ins Stammhirn geschrieben. Das macht auch alles Sinn. Doch wie sieht es bei psychischem Dauerstress aus? Da gibt es nach der „Aufregung“ keine körperliche Entspannung in Form von kämpfen, wegrennen und Gefahr gebannt. Adrenalin und Kortisol zirkulieren ohne die Ausgleichsreaktion unentwegt im Blutkreislauf. Der belastete Körper zeigt dann typische Symptome wie beispielsweise Diabetes, Tinnitus, Depression, Aggression und unzählige andere belastende Störungen des Wohlbefindens. Stress ist auf Dauer nicht ohne Schaden auszuhalten.
Männer sind härter im Nehmen als Frauen. Eine klare Aussage, – die nicht stimmt. Es gibt allenfalls oberflächlich betrachtet unterschiedliche körperliche Symptome bei Männern und Frauen. Aber wer will heute noch behaupten, dass man körperliche von psychischen Belastungen trennen kann. In der modernen medizinischen und psychologischen Heilbehandlung hat das ehemalige Schubladendenken ausgedient. Es ist nicht eindeutig, dass Frauen eher psychische Stressreaktionen, wie Depression, Müdigkeit, Lustlosigkeit zeigen und Männer eher körperliche Stressreaktionen, wie Bluthochdruck, Herzinfarkt, Atemnot zeigen.
Die Statistiken der Krankenkassen belegen nicht eindeutig, dass die Krankschreibungen infolge Stress mit dem Alter zunimmt. Es gibt zwar einen Häufigkeitsberg bei den 40- bis 44-jährigen aber dahingegen fand in den letzten Jahren die höchste Zunahme bei den 20- bis 35-jährigen statt. Stressresistenz ist nicht vom Alter abhängig.
Anerkennung und Wertschätzung sind wichtige Faktoren im Zusammenhang mit Stress, – und zwar im Beruflichen wie im Privaten. Irreführender Weise wird die Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit überwiegend Ursachen im Beruflichen zugeschrieben. Ob nicht die privaten Umstände zur Krankmeldung geführt haben, wird nicht diskutiert. Es steht aber zweifelsfrei fest, die Work-Life-Balance, die muss stimmen.
Bei Dauerstress ist der Adrenalin- und Kortisollevel im Blutkreislauf auf Dauer zu hoch. Das führt u. a. zu Aggression, macht zappelig und unkonzentriert und löst Gereiztheit aus. In einer solchen Phase hilft meditative Entspannung so gut wie gar nicht. Der Körper muss die überschüssigen Hormone durch körperliche Bewegung abbauen. Laufen, Radfahren, Schwimmen sind gute Möglichkeiten dafür. Zur anschließenden Vorbeugung sind Entspannungstechniken dann sehr gut geeignet. Durch verschiedene Therapieformen erlernt man die für sich passende „Einstellung der geistigen Haltung“ und kann die stressauslösenden Momente besser als solche erkennen und bewerten. Wie damals, – ein zahnloser Säbelzahntiger ohne Krallen hat Ihnen keine Angst gemacht.