Archiv der Kategorie: Psychotherapie

Selbstwert – kann man trainieren

Wer nicht lesen will, kann zuhören: Audio-Beitrag.

Wir Menschen neigen dazu,

1. uns selbst so zu sehen, wie wir meinen zu sein,
2. gleichzeitig nehmen wir an, dass andere Menschen uns auch so sehen, wie wir uns selbst sehen, und
3. bestimmen wir den Selbstwert durch Vergleich mit dem sozialen Umfeld.

Verändert sich oder wechselt man die Bezugsgruppe, kann sich auch der Selbstwert ändern. Bei Kindern und Jugendlichen ist das prägnant nach einem Schulwechsel, bei Erwachsenen nach einem Jobwechsel und / oder einem Ortswechsel, oder auch besonders nach einem Partnerschaftswechsel nebst Umfeld.

Selbstwert ist subjektiv.

Selbstwert ist die subjektive Bewertung der eigenen Persönlichkeit, insbesondere der Zufriedenheit mit sich selbst. Das schließt die psychische Zufriedenheit, die Ausgeglichenheit und das In-sich-Ruhen ebenso ein, wie die Zufriedenheit und Akzeptanz seines Körpers, seines Gewichts, allgemein seines Aussehens.

Wobei ganz wichtig ist, dass die Akzeptanz nicht das Ergebnis von Resignation wird. Das wäre sehr kontraproduktiv hinsichtlich der Stärkung des Selbstwertes, des Sich-selbst-wert-seins.

Die eigenen Selbstwertvorstellungen sind meistens sehr stabil und dauerhaft. Das liegt am sich selbst verstärkenden Effekt der Erwartungshaltung. Wer annimmt, dass er scheiten wird, konzentriert sich darauf. Wer annimmt, dass er erfolgreich sein wird, konzentriert sich darauf.

Steigerung des Selbstwertes.

Zur Steigerung des Selbstwertes ist ein anderer Blick auf sich selbst notwendig. Dazu können u. a. folgende Hinweise nützlich sein:

  • Schreiben Sie 7 Dinge / Ereignisse auf, von denen Sie über sich sagen: „Das war erfolgreich“.
  • Trauen Sie sich, Ihre Familie und / oder Freunde zu fragen, was diese an Ihnen schätzen. Häufig erfahren Sie etwas über sich, an das Sie selbst gar nicht gedacht hätten.
  • Schreiben Sie auf, mit wem Sie sich vergleichen, bzgl. geistige Haltung, Sprache und Ausdruck, Ansehen und Wirkung, Kleidung und Auftreten, körperliche Schönheit und Aussehen.
  • Tun Sie etwas, das Ihnen selbst Erfolgserlebnisse beschert. Nähern Sie sich den Erfolgen mit kleinen Zwischenzielen.
  • Nehmen Sie mal die Position eines Beobachters ein: Stehen Sie gerade, selbstbewusst, in offener Geste!? Gehen Sie auf andere freundlich zu!? Sprechen Sie mit fester Stimme, dass man Sie hört und vor allen Dingen auch anhört!?
  • Und noch eins: Sitzen Sie auf dem Grübelkarussell fest? Dann springen Sie ab! Tun Sie etwas, bei dem Sie sich konzentrieren müssen: Schreiben Sie ein Gedicht, trainieren Sie neue Tanzschritte (YouTube) oder lernen Sie 10 neue Vokabel einer Sprache.

Grübelkarussell anhalten.

Falls die kreisenden Grübelgedanken nicht stoppen wollen, machen Sie sich kleine Klebezettel und schreiben Sie jeden Einzelgedanken separat auf einen Zettel. Die Zettelchen kleben Sie z. B. innen an die Kleiderschranktür. So können Sie

1. die Gedanken wegschließen,
2. ab jetzt wissen Sie wo die Gedanken sind und müssen nicht aktiv daran denken, weil Sie
3. ganz sicher sein können, sie jederzeit zur Hand zu haben.

Der schlimmste Kritiker unseres Selbstwertes.

Wissen Sie, wer der schlimmste Kritiker in Ihrem Leben ist?

Das sind Sie selbst, im Nicht-Bewussten.

Das ist der innere Kritiker in Ihnen, der aus den Ermahnungen, Verboten, Zurechtweisungen, die Sie während der Kinder- und Jugendzeit und im Erwachsenenalter bis heute erfahren haben, sein „Futter“ bekommt.

Unvollkommenheit, Schwächen, Fehler, so haben wir gelernt, sind zu verurteilen und zu bestrafen. Wir bekommen den Eindruck, etwas müsse mit uns nicht stimmen. Denn, wenn ich okay wäre, würde man mich nicht so behandeln, mich nicht ermahnen, mich nicht bestrafen, nicht so mit mir reden.

Dieses trainierte Gefühl, nicht in Ordnung zu sein, ist so tief in uns verwurzelt und so zu einem Teil unserer Persönlichkeit geworden, dass wir es unreflektiert als richtig erachten. Unsere Selbstachtung geht gegen Null.

Selbstbestrafung.

Durch Selbstverurteilung und Selbstbestrafung wollen wir unsere vermeintliche Unvollkommenheit überwinden, um so zu werden, wie wir meinen sein zu sollen. Wir üben uns in der Selbstbestrafung als Folge unserer Selbstablehnung.

Das was wir an uns ablehnen, abzulehnen gelernt haben, kann alle Bereiche unseres geistigen und körperlichen Daseins betreffen.

Wir haben diese Be- und Verurteilung so sehr verinnerlicht, dass wir bis heute die Autorität des inneren Kritikers nicht in Frage stellen. Er und seine verurteilenden Kommentare fühlen sich ebenso richtig und zu uns gehörig an, wie unsere Arme und Beine. Die Stimme des Kritikers klingt unfehlbar und absolut.

Gelernte Regeln.

Dabei übersehen wir, dass viele dieser gelernten Regeln sinnlos, wertlos und nutzlos sind. Solche unsinnigen Regeln liefern keinen Beitrag zu unserer persönlichen Lebenszufriedenheit.

Selbstablehnung, Selbstbestrafung, Selbsthass tragen nicht dazu bei, so zu werden wie wir meinen sein zu sollen. Viele Menschen kommen sich ihr ganzes Leben lang unvollkommen und minderwertig vor.

Die einen resignieren, fühlen sich überfordert und deprimiert, oder andere versuchen Tag für Tag zu der Person zu werden, die sie glauben, sein zu müssen, um sich selbst endlich akzeptieren zu können und um endlich von anderen akzeptiert zu werden.

Allerdings, und leider, viele Menschen wissen noch nicht einmal genau, was mit ihnen nicht stimmt. Sie haben einfach nur permanent das dumpfe Gefühl, minderwertig und nutzlos zu sein und hassen sich dafür.

Selbstbestrafung macht aus uns keine besseren Menschen.

Deshalb tun wir gut daran, damit aufzuhören.

Der innere Kritiker will uns vorgaukeln, dass er uns mit seinen vernichtenden Urteilen einen Gefallen tut. Dass er uns vor Schlimmerem bewahrt. Das er uns Nachteile erspart. Das ist jedoch Blödsinn.

Dem inneren Kritiker müssen wir kritisch entgegentreten. Hört sich paradox an. Ist es aber nicht.

Hinterfragen Sie die inneren Zweifel und Behauptungen wie: Du machst immer alles falsch. Du bist ein Versager. Du bist dumm, faul, unansehnlich.

Fragen Sie sich, stimmt das überhaupt?

Solche absoluten Urteile stimmen nie.

Ja, wir machen schon mal Fehler.

Ja, wir bekommen manches nicht oder nicht sofort hin.

Ja, wir wissen nicht über alles Bescheid.

Ja, wir haben zu manchen Dingen keine Lust und tun sie nicht.

Ja, unser Körper, unser Aussehen entspricht nicht den Models in Hochglanzmagazinen (nach Fotoshop-Bearbeitung).

Ich bin ich.

Ja, ich bin anders. Individuell. Eine Person mit persönlicher Persönlichkeit. So wie ich ist niemand anderes. Ich habe Schwächen, ich habe Fehler, ich sehe so aus, wie ich aussehe. Und das ist gut so.

Entwickeln Sie Ihr Selbstmitgefühl. Das hat nichts mit Selbstmitleid zu tun. Bringen Sie für Ihre Fehler und Schwächen mindestens so viel Verständnis auf, wie Sie es für andere Menschen aufbringen, die Sie mögen und gut leiden können:

Diese würden Sie doch nicht für die gleichen Fehler und Schwächen harsch angehen und mit Verachtung strafen. Sie würden Sie nicht als unwürdig ansehen und sich von ihnen abwenden.

Sie würden stattdessen sehr wahrscheinlich mitfühlend, liebevoll, wohlwollend und verständnisvoll mit ihnen umgehen. Sie würden Sie stärken, unterstützen und nachsichtig sein.

Sie würden ihnen sicherlich ihre Fehler und Schwächen verzeihen und Verständnis aufbringen.

Seien Sie sich Ihr bester Freund, Ihre beste Freundin!

Behandeln Sie sich stets selbst genauso wie einen besten Freund oder eine beste Freundin. Fördern Sie Ihr Selbstmitgefühl.

Von Zeit zu Zeit wird sich Ihr innere Kritiker wieder zu Wort melden: Diese Nachsicht hast du nicht verdient. Das wirst du noch bitter bereuen. Wenn du dich jetzt nicht abstrafst, wirst du ins Verderben laufen, usw.

Halten Sie ihm entgegen, dass Selbstliebe, Selbstmitgefühl und Selbstachtung der richtige Weg zur Lebenszufriedenheit ist. Dass Hass, insbesondere Selbsthass und Ablehnung die Menschen und die Menschlichkeit nicht verbessern.

Deshalb nochmals mein Rat:

  • Schreiben Sie alle Beurteilungen und Verurteilungen Ihres inneren Kritikers auf.
  • Setzen Sie sich mit ihnen kritisch auseinander.
  • Stellen Sie sie in Frage.
  • Stellen Sie die Bedeutung oder Wertlosigkeit, die sie für Sie haben, mittels Skala von 0 – 10, fest!
  • Notieren Sie die Grübelgedanken und kleben Sie sie in den Kleiderschrank.

Und zu guter Letzt, hören Sie auf mit dem Vergleichen (gleich welcher Art).

Sie sind Sie. Einzig. Individuell. Persönlich.

( Als Audio anhören. )

 

Im nächsten Beitrag, in 2 Wochen, geht es um die positiven Erlebnisse der Selbstachtung.